Passivrauchen: Schweizer Märchenstunde
Sonntag, 16. Oktober 2005 um 00:00 Uhr
Im Schweizer Parlament steht zur Zeit eine Initiative zum Schutz vor Passivrauch zur Diskussion. Initiator ist Professor Felix Gutzwiller, Nationalrat und Direktor des Institutes für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich. Bernd Palmer hat sich ausführlich mit der Zielrichtung und den Grundlagen dieses Vorstoßes der Tabakgegner auseinandergesetzt und so die „Märchenstunde“ aufgedeckt, mit der auch in der Schweiz der Großteil der Bevölkerung gegen die Raucher aufgebracht werden soll.Gedanken zur Initiative: Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft vor dem Passivrauchen
Die Initiative, die auf Anregung der Interessengemeinschaft proaere.ch ins Leben gerufen wurde, hat zum Ziel, "Bevölkerung und Wirtschaft vor den gesundheitsschädigenden und einschränkenden Wirkungen des passiven Rauchens zu schützen".
Es ist unbestritten, dass Tabakrauch für manche Nichtraucher unangenehm, lästig oder gar unerträglich ist. Nun gibt es unserem Alltag viele Dinge, die uns unangenehm, lästig oder unerträglich sind (vor allem wenn sie von anderen verursacht werden). Brauchen wir wirklich Gesetzesänderungen oder gar neue Gesetze, um all die Dinge aus der Welt zu schaffen, die uns stören? Ist Passivrauch wirklich gesundheitsschädigend, wie es die Initiative behauptet? Gibt es nicht andere, schwerwiegendere gesundheitliche Bedrohungen, die wir in Kauf nehmen, weil es sonst zu einer individuell "einschränkenden Wirkung" käme?
Gesundheitsschädigung
Die Initiative behauptet, dass in der Schweiz jeden Tag ein Mensch am Passivrauchen stirbt. Diese Behauptung ist unwiderlegbar, sie ist aber auch nicht beweisbar, da sie nicht auf Fakten beruht, sondern auf Schätzungen auf Grund epidemiologischer Studien. Weder Jürg Hurter von proaere.ch noch Nationalrat Felix Gutzwiller waren auf Anfrage willens oder in der Lage, Angaben dazu zu machen, woher diese Zahl stammt. Nationalrat Felix Gutzwiller hat mir schriftlich mitgeteilt:
"Die Anzahl Todesfälle infolge Passivrauchens wird berechnet, indem man das so genannte zurechenbare Risiko aus epidemiologischen Studien berechnet. Diese Berechnungen sind konservativ, also zurückhaltend."
In der Praxis ist das ein einfacher Dreisatz. Das Ergebnis ist natürlich abhängig von den Zahlen, die man einsetzt. In derselben Korrespondenz verweist Nationalrat Gutzwiller auf eine Pressemitteilung der WHO (www.who.int/inf-pr-1998/en/pr98-29.html), wo entsprechende Zahlen zu finden sein sollen. Diese Pressemitteilung weist allerdings zwei gravierende Fehlinformationen auf (entsprechend vehement war auch die Reaktion in einigen Medien: http://www.junkscience.com/news/euwsjets.htm). Die Studie selbst kommt zu folgenden Ergebnissen (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=9776409&dopt=Abstract):
- Obwohl für passivrauchende Erwachsene ein leicht erhöhtes Lungenkrebsrisiko 16% errechnet wird, ist das Ergebnis statistisch nicht signifikant und das relative Risiko liegt mit 1.16 weit unter dem von der WHO selbst definierten Kriterium von 2.0 (* siehe unten). Die tatsächlichen Ergebnisse schließen sogar eine mögliche Schutzwirkung nicht aus.
- Bei Kindern, die dem Passivrauch ihrer Eltern ausgesetzt sind, kommt die Studie zum Ergebnis, dass Passivrauch eindeutig eine Schutzwirkung hat: das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, ist 20% geringer als für einen Nichtraucher. Diese Zahl wurde von der WHO in keiner der Pressemitteilungen erwähnt, sie stört die politische Agenda der Organisation.
(* Relative risks of less than 2.0 may readily reflect some unperceived bias or confounding factor, those over 5.0 are unlikely to do so. - Breslow and Day, 1980, Statistical methods in cancer research, Vol. 1, The analysis of case control studies. Published by the World Health Organization, International Agency for Research on Cancer, Sci. Pub. No. 32, Lyon, p. 36)
Es stellt sich die Frage, warum gerade diese Studie zur Berechnung der Todesfälle in der Schweiz herangezogen werden soll. Es gibt mittlerweile über 200 (publizierte) epidemiologische Studien zum Passivrauch, alle kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Woher also kommt die Zahl von 400 Todesfällen verursacht durch Passivrauch? Es handelt sich um eine Dreisatzrechnung aufgrund von Schätzungen, die auf beliebig interpretierbaren epidemiologischen Studien beruhen. Kein einziger dieser Fälle ist namentlich bekannt, es gibt keine "Passivraucherkrankheit".
Handlungsbedarf
Die geltende Verordnung zum Arbeitsgesetz verlangt bereits, dass Nichtraucher am Arbeitsplatz nicht dem Rauch ausgesetzt werden. Meine Tätigkeit als Berater führt mich sehr häufig in Firmen im In- und Ausland. Ich habe schon seit Jahren keine Firma mehr gesehen, in der das Rauchen in Arbeitsräumen noch erlaubt ist und in der nicht eine einvernehmliche Lösung für Raucher und Nichtraucher gefunden wurde (ohne dass man die rauchenden Mitarbeiter auf die Strasse schickt oder sogar entlässt!). Kein Handlungsbedarf.
In öffentlichen (Verwaltungen, Schulen, Theater, Museen) und in privaten Gebäuden (Kinos, Ladengeschäfte, Restaurants, Bahn) steht es dem Eigentümer frei, das Rauchen einzuschränken oder gar zu verbieten, und das ist wohl in den meisten öffentlichen Gebäuden bereits der Fall. Kein Handlungsbedarf.
Den Rest erledigt der gesunde Menschenverstand, der gegenseitige Respekt und die Toleranz. Wollen wir zwischenmenschliche Beziehungen gesetzlich regeln? Ausreisser gibt es immer, auf beiden Seiten, selbst Gesetze werden das nicht verhindern.
Öffentliche (öffentlich zugängliche) Räume
Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, ist davon auszugehen, dass diese Initiative auch Restaurants, Bars und Cafés im Visier hat, so wie es in anderen europäischen Ländern z. T. schon die Praxis ist. Gaststätten sind allerdings keine öffentlichen sondern private Räume. Es wird niemand gezwungen, in eine Gaststätte zu gehen, die ihm nicht behagt. Sei es, weil man den Duft von Fondue nicht ausstehen kann, die Musik zu laut ist, das anwesende Publikum nicht zusagt. Wenn es einen Markt für Nichtraucher gibt, werden sich die Gaststätten daran orientieren. Es steht jedem Gastwirt frei, seinen Betrieb zur rauchfreien Zone zu erklären.
Für Gaststätten getrennte Räume für Raucher und Nichtraucher zu fordern, ist wirtschaftlich nicht durchsetzbar und unsinnig. Man stelle sich nur ein Landgasthaus oder eine kleine Kaffeebar mit 5 oder 10 Tischen und zwei hermetisch voneinander getrennten Räumen vor. De facto käme das einem generellen Rauchverbot in Gastbetrieben gleich.
Verhältnismässigkeit
Es stellt sich die grundsätzliche Frage, weshalb man die Gesetzgebung speziell auf die Schadstoffe der Zigarette ausrichtet. Weshalb nicht eine allgemeine Verordnung über erlaubte Grenzwerte für Schadstoffe. Warum soll das Servierpersonal (= Arbeitsplatz) besonderen gesetzlichen Schutz geniessen, während andere Berufe wie Giesser, Schreiner (Feinstaub), Maler (aromatische Verbindungen), Köche (siehe Toxikologie unter Epidemiologische Studien), Automechaniker, Feuerwehrleute (Rauch), Polizeibeamte (Feinstaub, CO) keinen Schutz geniessen?
Eine europäische Studie (http://news.bbc.co.uk/1/hi/health/4283295.stm), kommt zum Schluss, dass in Europa jährlich 310'000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung vorzeitig sterben. Umgerechnet auf die Schweiz (einfacher Dreisatz, siehe auch unter Epidemiologische Studien) sind das über 4000 Menschen, insgesamt also 4400, wenn man die Todesfälle infolge infolge von Passivrauch dazuzählt (und damit wahrscheinlich doppelt zählt).
Gemäss dieser Studie wäre die Wahrscheinlichkeit 10 mal höher, an der allgemeinen Luftverschmutzung als am Passivrauch zu sterben. Vielleicht noch ein Grund, die Zahl von 400 in Zweifel zu ziehen ...
Epidemiologische Studien
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Epidemiologie keine medizinische, sondern eine mathematische Wissenschaft ist. Sie beruht, im Fall der Studien zum Passivrauch, auf Befragungen der Betroffenen über die Rauchgewohnheiten ihrer Gatten, Eltern und Bekannten sowie auf Krankheitsbefunden von Ärzten. Die Befragungen appellieren an das Erinnerungsvermögen über mehrere Jahrzehnte, entsprechend ungenau fallen die Antworten aus. Der für die WHO-Studie benutzte Fragebogen liegt mir vor.
Im Anhang finden Sie eine Übersicht über 124 dieser epidemiologischen Studien. Von diesen Studien sind 107 nicht signifikant (das Ergebnis lässt den Schluss sowohl auf eine Schutzwirkung wie auch auf ein erhöhtes Risiko zu), 35 weisen dem Passivrauch eine eindeutige Schutzfunktion zu. Risikofaktoren unter 2 oder 3 werden von Wissenschaftlern in der Regel als nicht relevant betrachtet, da epidemiologischen Studien auf ungenauen Ausgangsdaten beruhen und eventuelle andere (versteckte) Einflüsse nicht ausgeschlossen werden können.
Eine umfassendere Aufstellung dieser Studien findet sich unter: http://www.forces.org/evidence/study_list.htm#tables
Um es nochmals klar zu sagen: epidemiologische Studien dienen dazu, Assoziationen zwischen Verhaltensweisen und möglichen (gesundheitlichen) Konsequenzen aufzuzeigen. Sie geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine solche Assoziation besteht, können aber nicht nachweisen, dass diese Assoziation tatsächlich kausal ist. Wenn dieser Nachweis denn erbracht worden wäre, gäbe es keine neuen epidemiologischen Studien mehr.
Kausale Zusammenhänge nachzuweisen ist Aufgabe der medizinischen, biologischen und toxikologischen Forschung. Nur sie kann den sicheren Nachweis der Kausalität erbringen. Bisher ist dieser Nachweis für Passivrauch nicht erbracht worden. Die Schadstoffmengen im Passivrauch liegen weit unter den toxikologisch relevanten Grenzwerten (http://www.peutinger.de/peutinger/wissens_aktiv/forschung/passiv_rauch/nilsson.htm , http://www.geocities.com/madmaxmcgarrity/ToxicToxicology.htm) und weit unter den Schadstoffkonzentrationen, die bei so alltäglichen Tätigkeiten wie Kochen oder Grillieren freigesetzt werden (http://www.arb.ca.gov/research/indoor/cooking/cooking.htm).
Schlussfolgerung
Die Initiative wird damit begründet, dass Passivrauch gesundheitsschädigend ist. Für diese Aussage fehlen aber wissenschaftliche Fakten. Es gehört offensichtlich zum weltweiten Trend, in Ermangelung besserer Argumente unbegründete Ängste zu verbreiten, um politische Ziele zu erreichen. Leider sind selbst das Bundesamt für Gesundheit, proaere.ch und die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention, um nur einige zu nennen, keine Ausnahmen und publizieren wissentlich selektive oder gar falsche Informationen, um ihr offensichtliches Anliegen zu vertreten (ich bin gerne bereit, konkrete Beispiele zu liefern). Nicht nur die Tabakindustrie greift zu zweifelhaften Mitteln ....
Wenn also das gesundheitliche Argument weg fällt, bleibt nur das Argument der möglichen Belästigung durch Tabakrauch. Aber wollen wir unter dem Druck von Interessengemeinschaften die Grundregeln des sozialen Umgangs in Gesetzen festschreiben?
Für die Antiraucher-Kampagnen werden enorme finanzielle Mittel (weltweit mehrere Milliarden € jährlich) aufgewendet, um marginale Ergebnisse zu erzielen. Wie viel sinnvoller wäre es doch, diese Mittel z. B. in die medizinische Forschung oder in die Bekämpfung von Hunger und Krankheit in Ländern der dritten Welt zu investieren. Wir würden alle davon profitieren.
Es gibt keinen Bedarf für Gesetzesänderungen, wenden wir uns wichtigeren Themen zu, es gibt davon genügend.